Thursday, February 28, 2013

Skaryszew – Die Regierung unterstützt das Tierleid

Berenika Bratny

Skaryszew, der Pferdemarkt in Polen, wurde schon vor langer Zeit von Tierschutzaktivisten "Die Hölle" genannt. Jeder, der ihn einmal besucht hat, weiß mit Sicherheit, dass dieses keine Übertreibung ist.


Die offizielle Version besagt, dass es ein Platz mit einer langen, historischen Tradition ist, wo sich Bauern einmal im Jahr treffen um Pferde für landwirtschaftliche Arbeiten und für den Freizeitbereich zu verkaufen. Eine Menge Besucher, die während des Tages kommen glauben es, davon bin ich überzeugt, denn sie kommen mit ihren Kindern, um ihnen "schöne Pferde zu zeigen". Der Marktplatz ist voller Stände, die die verschiedensten Dinge zum Kauf anbieten ... eine Peitsche, ganz nebenbei bemerkt, ist dabei das Populärste.

Die Wahrheit ist aber eine andere – der eigentliche Markt findet nämlich des Nachts statt( obwohl die offizielle Version sagt, dass er um 8 Uhr morgens beginnt). Von überall aus dem Lande kommen Pferdehändler um Pferde an Italienische Schlachthäuser zu verkaufen. Große TIR Lastwagen blockieren sämtliche Straßen schon ab dem Abend des Vortages. Und die Hölle beginnt. Pferde werden in den unterschiedlichsten Vehikeln zum Markt transportiert – die meisten davon sind gar nicht für diesen Zweck gemacht: offene Anhänger ohne Dach(Verstoß gegen EU-Recht), Anhänger mit viel zu vielen Pferden beladen, Busse und alle Arten von Traktoranhängern. Das Be- und Entladen ist eine Prozedur voller Gewalt. Nahezu jeder Händler, den man hier trifft, trägt eine Peitsche oder ein Metallrohr, manchmal sogar beides, als "Hilfsmittel" um während des Transportes zu "helfen". Es gibt keine angemessenen Parkplätze für die LKW´s. Verängstigte Tiere werden oft gezwungen, auf erhöhte Rampen zu springen, was sie oftmals nicht schaffen und ihre Besitzer mehr und mehr verärgern und aggressiv werden lassen. In Skaryszew wird in der Nacht sehr viel Wodka getrunken, was die Gewaltbereitschaft noch erhöht.

Dies alles geschieht im Schutze der Dunkelheit.

Mehre Tierrechtsbewegungen, Tara und Pegasus sind zwei davon, haben beschlossen, die ganze Wahrheit über diesen Platz zu zeigen, Filmmaterial zu sammeln, Filme zu drehen und Fotos zu machen und die Bedingungen und Reglementierungen zu ändern. "Pferde sind Begleittiere" ist der Name dieser Kampagne. Sie kämpfen darum, das Pferd von der Liste der Schlachttiere zu entfernen. Und um dieses zu erreichen, treffen sich Aktivisten aus ganz Polen um nach Skaryszew zu gehen und um Jahr für Jahr die Grausamkeiten zu dokumentieren und Beweise zu sammeln. Den wütenden und oftmals betrunkenen Bauern entgegenzutreten ist nicht einfach. Besonders dann nicht, wenn die Polizei und die Tierärzte nicht besonders Begierig darauf sind, zu helfen.

Die Aktivisten kommen am Tag vor dem Pferdemarkt nach Skaryszew. Sie treffen sich dort und beratschlagen über ihre Aktionen. Diese Jahr kamen sie mit Journalisten und der Polizei. Sie teilten sich in Gruppen auf, um jeden Eingang des Marktplatzes zu kontrollieren - und um zu sehen, ob die Polizei und andere Dienstleister ihre Arbeit verrichten. Es stellte sich als sehr schwieriges Unterfangen heraus.

Nach Angaben der Aktivisten, welche die Prozeduren beobachteten, waren die Polizisten und die Tierärzte vor Ort nicht bereit zu kooperieren. „Wir baten einen Polizisten um Hilfe und er sagte zu uns, wir sollen uns an die Polizeiwache wenden“ – erinnert sich einer der Protestanten. “Wir fragten nach dem Weg, aber der Wachtmann murmelte einige Schimpfwörter und ging davon,“ – Berichtet ein anderer.

Laut EU – Richtlinien muss ein solcher Markt unter der Kontrolle der Polizei und des Veterinäramtes stehen. Die Identität eines jeden Pferdes muss durch einen Veterinär geprüft werden. Wie sieht nun der Ablauf aus? Die Tierschützer sagen, dass, wann immer ein LKW mit voller Pferde kommt, die Beamten nur die Ausweisnummer kontrollieren – und nicht einmal nach den Pferden schauen. Darauf angesprochen, erwidern sie, dass die Pferde an einer anderen Stelle des Marktes kontrolliert werden. Aber in Wirklichkeit prüft niemand die Papiere später.

Während dessen erklärt der Bürgermeister von Skaryszew voller Stolz im Fernsehen, dass der Pferdemarkt in diesem Jahr ein großer Erfolg war und es hinreichende Kontrollen gegeben hat. Er verkündet sein Vorhaben, diese Art der Pferdemärkte nun viermal jährlich stattfinden zu lassen. Auf der einen Seite ist dieses eine Art Kriegserklärung an die Tierschutzorganisationen – um den „Feind“ mürbe zu machen – denn es wird sehr schwer werden, Teilnehmer der Proteste und Helfer an vier Märkten im Jahr zu rekrutieren. Und auf der anderen Seite – was dem wichtigsten Faktor entspricht – IST der Pferdeverkauf für die Fleischindustrie ein gutes Geschäft in Polen. Der Preis für Pferde (in Zlotys/Kilogramm) ist sehr hoch im Vergleich zu den vorherigen Jahren. Und nun findet fast jeder Landwirt, es ist „gutes zusätzliches Geld“, eine Stute zu halten und ein oder zwei Fohlen im Winter zu verkaufen. Man findet mehr und mehr große Zuchtfarmen für Schlachtpferde an den Stadträndern und im landwirtschaftlichen Raum. In Polen wird kein Pferdefleisch konsumiert, die Tiere gehen auf ihre letzte Reise in Länder wie Italien, Frankreich und andere Länder. In einigen Ländern wird das Pferdefleisch aus Polen als „biologisches Nahrungsmittel“ angesehen(beworben als Fleisch von Tieren, die in nicht verschmutzter, sauberer Umwelt grasen). Das ist der Grund, warum die Preise höher liegen und das ist was sich lohnt. Das Landwirtschaftsministerium und die Landwirte propagieren das Züchten von Pferden als einen leichten Weg Geld zu verdienen. Jedes Jahr werden Pferde in Polen zur Schlachtung verkauft. Einige werden schon in polnischen Schlachthäusern getötet, diese produzieren 18 tausend Tonnen an Pferdefleisch wobei 70 % davon nach Italien verkauft werden (2011 waren es 12,1 tausend Tonnen), Deutschland(mehr als 50 Tonnen) und die Tschechische Republik (20 Tonnen Fleisch). Nach offiziellen Angaben werden jährlich 18 tausend lebende Pferde von Polen aus in ausländische Schlachthäuser transportiert – die meisten nach Italien. Es ist ein lohnenderes Geschäft lebende Tiere zu transportieren als Fleisch – auch wenn dabei 3-5 % der Tiere während des Transportes sterben. Außerdem ist der verwaltungstechnische Aufwand wesentlich geringer, wenn lebende Tiere transportiert werden, man braucht dabei nämlich nur die Ausweispapiere. In vielen Supermärkten ist das angebotene Pferdefleisch aus Polen wesentlich günstiger als das, welches von den regionalen Schlachthäusern angeboten und vertrieben wird (es finden sich oftmals Angaben, wo das Fleisch „erzeugt“ wurde auf den Verpackungen). Dieses Jahr wurden wieder viele hundert Pferde in Skaryszew verkauft, hauptsächlich nach Italien und Litauen. 2012 wurden aus der polnischen Region Mazowieckie 3902 Pferde in die Europäische Union verkauft und solange dieses ein so gutes Geschäft ist, werden weiterhin Menschen diesem nachkommen. Und dieses ist der Grund, warum die Gesellschaft mit großem Druck laut “NEIN!“ zu solchen Praktiken sagen muss.

Dieses ist wiederum keine leichte Aufgabe – in der Ausgabe der Zeitschrift „Konski Targ“ (was übrigens “Pferdemarkt“ heißt) welche diesen Monat erschien, und die eine der größten polnischen Magazine für Reiter und Züchter ist, wurde ein Text veröffentlicht, der offen Tierschutzorganisationen für ihre „Dummheit“ angreift. Das Magazin propagiert Pferde als Schlachtvieh und attackiert die Tierschützer. Der hauptsächliche Vorwurf eines Journalisten ist, dass die Tierschützer „keine Ahnung von Pferden haben“ und er schreibt, das es unter seinen Freunden – „wahren Pferdekennern“ – Reiter und Züchter – „keine Tierschutzaktivisten“ gäbe. Leider wird er damit sogar Recht haben. Für einige Pferdemenschen dieses Landes mag das beleidigend sein für einige Prozent ist es traurige Wahrheit. Und es wird auch in einigen Reiterforen sichtbar, in denen Forenmitglieder nichts Schlimmes daran finden, Pferde zur Schlachtung zu züchten.

Im letzten Jahr wurde ein krankes Fohlen von der Organisation „Tara“ gekauft. Es starb einen Tag später. Die Tierärzte diagnostizierten eine schwere Kolik und man fand bei der Untersuchung des Fohlens seltsame, nicht-organische Substanzen im Verdauungstrakt des Fohlens. In diesem Jahr kaufte die Tierschutzorganisation ein weiteres Pferd – einen jungen Hengst – nachdem dieser von einer Rampe gefallen war und nicht mehr aufstehen konnte. Man brachte ihn nach Warschau in eine Tierklinik und dort diagnostizierte man ein gebrochenes Rückgrat. Das Pferd wurde euthanasiert. Die Tierschutzorganisation gab an, dass sie den Halter des Pferdes, sowie die Verantwortlichen des Skaryszew Pferdemarktes verklagen wollen.

Wie lange braucht es, um die Wahrnehmung der Gesellschaft zu verändern? Nicht sehr lange. Vor gar nicht allzu langer Zeit hatte Polen den Ruf eines Landes, welches seine Pferde schätzt und liebt. Diese Zeiten sind offensichtlich vorbei. Doch es besteht noch immer die Chance, durch Aktionen, wie die der Tierschutzorganisation „Tara“, zu Erwachen.

Es ist höchsten Zeit das wir anfangen das „gute Geschäft“ wie Skaryszew als „große Schande“ wahrzunehmen und etwas dagegen zu unternehmen.

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Bislang haben über 3000 Menschen die Petition gegen diesen fürchterlichen Markt unterzeichnet. Viele Menschen in Deutschland haben bezüglich dieser Thematik an Fernsehgesellschaften geschrieben und bekannte TV- Formate wie „Akte20.13“ bei SAT1 und „Stern TV“ bei RTL sendeten Reportagen diesbezüglich. Der Kommentar eines SAT1 Reporters, Deutschland:
“Wir besuchten den Platz an dem einfache Leute leben, wo Pferde gehalten werden um zu Arbeiten und um sie zu essen. Diese Menschen konnten nicht verstehen, warum wir uns um die Pferde sorgen und uns darum kümmern, was sie fühlen.“



RTL 'Stern TV':
http://www.stern.de/tv/sterntv/undurchsichtige-vertriebswege-pferdefleisch-auf-irrwegen-1973245-video.html

Es liegt ein dunkler Schatten über die polnischen Menschen und ihre Tierschutzgesetze. Die Reaktionen auf der ganzen Welt zeigen, dass eine solche Behandlung der Tiere nicht akzeptiert werden kann – nirgendwo auf dieser Welt. Wenn ein Bürgermeister einen solchen Akt der Barbarei gegenüber Tieren einen „Erfolg“ nennt, dann wirft das die Frage auf, ob er im Interesse aller seiner Landsleute spricht.


Petition:

https://www.change.org/de/Petitionen/stoppt-den-grausamen-pferdemarkt-stop-gruelty-horse-market-in-skaryszew-polen